Das erste Halbjahr 2025 verlief an den Finanzmärkten überraschend robust, obwohl es eine Fülle geopolitischer und wirtschaftlicher Spannungen gab. Im April korrigierten die Aktienmärkte innerhalb weniger Tage um 10–15 %. Auslöser war der sogenannte „Liberation Day“ am 2. April, der den Beginn einer neuen Phase im Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie dem Rest der Welt markierte. Die Zölle lösten nicht nur Marktvolatilität aus, sondern auch grundlegende Fragen über die Zukunft des globalen Handels. Gleichzeitig rückte die hohe US-Staatsverschuldung und zunehmende Zweifel am Dollar als sicherem Hafen in den Fokus. Die erratische US-Politik nagt am Vertrauen der Investoren und verursacht Angst vor einer Schuldenkrise.
Der Juni wurde vom Konflikt zwischen Israel und dem Iran dominiert. Wieder einmal hat sich gezeigt, wie schwierig es ist, auf geopolitische Ereignisse mit taktischen Anpassungen im Portfolio zu reagieren. Innerhalb weniger Tage schwankte die Stimmung von der Angst vor einem US-Luftangriff mit anschliessender Eskalation im Mittleren Osten zur Erleichterung über einen Waffenstillstand. Wie immer reagierten die Börsen innerhalb weniger Minuten mit starken Kursausschlägen in beide Richtungen, was taktische Anpassungen sehr schwierig macht.
Auch das dritte Quartal verspricht Spannung. Die politischen Einflüsse werden kaum nachlassen und im Juli und August äussern sich traditionell die gelisteten Unternehmen zum Geschäftsverlauf. Bis sich ein genaueres Bild der konjunkturellen Entwicklung zeigt, ist daher weiterhin mit einer erhöhten Schwankungsbreite an den Aktienmärkten zu rechnen.
Jahresperformance per 30.06.2025
Pirakash Vivekananthan
Analyst
Turbulentes Quartal mit neutralem Ende: Entwicklungen an den Finanzmärkten im Frühjahr 2025
Die erste Hälfte des Jahres 2025 ist bereits wieder vorbei und die Aktienmärkte ausserhalb der USA weisen in CHF insgesamt Kursgewinne auf. Dabei bot das zweite Quartal viel Aufregung: Den Auftakt bildete der sogenannte „Liberation Day” am 2. April, an dem Präsident Trump das bislang umfassendste US-Zollpaket der jüngeren Geschichte verkündete. Dies entfachte neue Handelskonflikte und beschleunigte die bereits im Februar begonnene Marktkorrektur in den USA. Insbesondere das Verhältnis zwischen den USA und China verschlechterte sich rapide. Die USA verhängten einen zusätzlichen Zoll von 34% auf chinesische Importe, zuzüglich der bestehenden Abgabe von 20%.
Peking reagierte mit mehreren Vergeltungsrunden und erhöhte seine Zölle schliesslich auf 125% und die USA konterten erneut. Dieses Eskalationsmuster verstärkte die Verunsicherung unter Anlegern und führte zu signifikanter Marktvolatilität. Hoffnung auf Entspannung kam durch die Wiederaufnahme bilateraler Handelsgespräche in Genf und London auf. Die bis zum 8. Juli geltende 90-tägige Zollpause gibt beiden Seiten ein enges Zeitfenster für eine potenzielle Einigung.
Die Schweizerische Nationalbank senkte im Juni den Leitzins von 0.25% auf 0% – begleitet von Diskussionen über eine mögliche Rückkehr in den Negativzinsbereich. Die Europäische Zentralbank setzte ihre Zinssenkungen mit zwei Schritten à 25 Basispunkte fort und senkte den Leitzins auf 2.15%. Im Gegensatz dazu hielt die US-Notenbank (Fed) seit Dezember 2024 an ihrem Zinsniveau fest – trotz des politischen Drucks von Präsident Trump auf Fed-Chef Jerome Powell.
Unter dem Strich korrigierten die Aktienmärkte zunächst im April um -10% bis -15% bevor rasch eine deutliche Gegenbewegung einsetze. Einige Indizes konnten bis zum Quartalsende leicht zulegen, andere verloren leicht an Wert. Leider gehört der SMI zu den schwächeren Indizes, da keines der Schwergewichte Nestlé, Novartis oder Roche an Wert zulegen konnte. Unternehmen, die sich stark auf die Schweiz fokussieren, wie Swiss Life und Swisscom, profitierten hingegen von ihrer Resilienz gegenüber der Geopolitik und den Zöllen.
Tobias Brütsch
Leiter Portfolio Management
Finanzmärkte zwischen US-Schulden, Handelskonflikten und geopolitischen Risiken
Das erste Halbjahr 2025 wurde von drei Themen dominiert: Der „Liberation Day” und in diesem Zusammenhang die US-Schuldenthematik sowie die Eskalation im Mittleren Osten mit dem Angriff Israels auf den Iran. Während Letzteres überraschend wenig Spuren an den Finanzmärkten hinterlassen hat, sorgte Ersteres vor allem im April und Mai für grössere Schwankungen. Das Hin und Her im Zollstreit und die drohenden Kosten für Unternehmen und Konsumenten belasten zunehmend (ironischerweise) vor allem die US-Konjunktur. Anlässlich einer Aktienkonferenz Anfang Juni äusserten sich viele Unternehmen zurückhaltend, was das US-Wachstum angeht, während andere Regionen wie Asien von neuen Handelsrouten und breiteren Produktionsnetzwerken profitieren. Gleichzeitig wirkt sich das Thema US-Schulden immer mehr auf die US-Zinsen aus und führt dazu, dass die traditionell führende Rolle des USD als globale Leitwährung immer stärker infrage gestellt wird.
Der Handelskrieg mit Trumps globalem Zollhammer sowie die Diskussionen über die US-Staatsschulden und den US-Dollar hängen zusammen. Im Kern geht es um die Frage, ob der Dollar und US-Staatsanleihen als sicherer Hafen allmählich ausgedient haben und ob die Zollstrategie von Donald Trump das Ende der Globalisierung bedeutet, die in den letzten Jahrzehnten für Wohlstand gesorgt hat.
Die US-Staatsverschuldung beträgt aktuell etwas mehr als 35 Billionen US-Dollar und entspricht damit rund 130 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Tendenz steigend.
Die Zinszahlungen belaufen sich inzwischen auf mehr als 1 Billion US-Dollar pro Jahr und übersteigen damit die Verteidigungs- oder Bildungsausgaben. Haupttreiber sind strukturelle Haushaltsdefizite, Steuerkürzungen der letzten Jahre, höhere Ausgaben für Sozialprogramme und Verteidigung sowie die höheren Zinsen an sich. Die USA haben darum auch das letzte AAA-Rating der grossen Agenturen verloren und der Status als sicherer Hafen wird immer stärker hinterfragt. Das Thema ist nicht neu: Die US-Regierungen versuchen schon länger, eine Trendwende zu erreichen. Traditionell lag die Lösung für die Demokraten in Steuererhöhungen und für die Republikaner in Ausgabensenkungen.
Donald Trump will mit verschiedenen Massnahmen Gegensteuer zu geben.
Handelskrieg: Durch die Einführung von Zöllen soll das Handelsbilanzdefizit reduziert werden. Die erzielten Einnahmen sollen den Staatshaushalt entlasten. Zudem soll die heimische Industrie gestärkt werden und die USA sollen von ausländischen Investitionen profitieren. Ob das funktioniert, ist fraglich. Die Zölle werden vermutlich nicht von ausländischen Regierungen und Firmen, sondern von den US-Konsumenten bezahlt. Zudem senkt das sinkende Konjunkturwachstum die Steuereinnahmen in den USA selbst.
Steuersenkungen und weniger Regulierungen.
Ausgabenkürzungen.
Reduktion der Bürokratie.
Tiefere Zinsen und Schwächung des USD als internationale Leitwährung.
In der Praxis führt die erratische US-Politik in Kombination mit den verschiedenen Massnahmen zum Vertrauensverlust der Investoren.
Schuldenkrisen gab es aber schon früher. Ob und wann eine Schuldenkrise eskaliert und zu einer Korrektur der Börsen führt, ist jedoch unmöglich genau vorherzusehen. Vor zehn Jahren war die Eurozonenkrise die grosse Sorge der Börsen. Chinas Gesamtverschuldung liegt bei etwa 280–300 % des BIP (inklusive Unternehmens- und Haushaltssektor), wobei der Staat selbst weniger stark verschuldet ist. Ein Grossteil der Risiken liegt im Schattenbankensystem und bei lokalen Regierungen. Das Platzen der Blase in China wird daher seit Jahren als Risikofaktor angesehen. In den USA wurde das Thema in den letzten Wochen heisser diskutiert.
Um eine Schuldenkrise zu vermeiden, gibt es grundsätzlich verschiedene Lösungsansätze:
Kein politisches Gegensteuern und Abwarten, bis die Krise akuter wird, um dann eine Reaktion zu erzwingen.
Stärkeres Wachstum forcieren, um die Schulden relativ zum BIP zu reduzieren (erfolgreiches Beispiel: Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg).
Schulden „weginflationieren”.
Steuererhöhungen.
Ausgaben senken.
Die USA kontrollieren ihre eigene Währung und können technisch gesehen nicht zahlungsunfähig werden. Bei einer massiven Ausweitung der Geldmenge dürfte der USD jedoch dramatisch an Wert verlieren (eine gewisse Abwertung ist dabei ganz im Sinne der US-Regierung, wie der „Mar-a-Lago-Accord” zeigt). Das Nettovermögen der US-Haushalte beläuft sich aktuell auf 168 Billionen und ist damit deutlich grösser als die Schulden. Zudem verfügt die US-Regierung über Vermögenswerte wie Land, Gebäude, Rohstoffe etc., die den Wert der Schulden bei Weitem übersteigen. Auch wenn die Situation angespannt ist, ist davon auszugehen, dass die USA noch etwas Zeit haben, um zu reagieren.
Ein Investor sollte am besten bei seiner Strategie bleiben. Kurzfristige Absicherungen gegen Krisen sind selten sinnvoll. Absicherungsstrategien wie Putoptionen kosten Geld und funktionieren nur, wenn das Timing mit dem Ausbruch der Krise genau stimmt. Bargeld als Zwischenlösung nach einem Ausstieg aus den Aktienmärkten aufgrund von Unsicherheiten ist zwar verlockend, bedeutet jedoch einen jährlichen Verlust in Höhe der Inflationsrate. Erfahrungsgemäss wird zudem oft der richtige Zeitpunkt für den Wiedereinstieg verpasst, wodurch langfristig Rendite verloren geht.
Investieren bedeutet, Risiken einzugehen Kursschwankungen zu akzeptieren. Deshalb gilt: Nur Geld in Aktien investieren, das auch langfristig investiert bleiben kann. Die letzten 100 Jahre haben gezeigt, dass trotz immer wieder auftretender geopolitischer Krisen eine positive Rendite erzielt wird, wenn der Investitionshorizont zehn Jahre oder mehr beträgt. Die Märkte sehen sich stets einer Vielzahl von Sorgen gegenübergestellt und preisen aktuell mögliche Szenarien ein. Erst wenn die Risiken grösser werden und negative Szenarien eskalieren, verstärken sich die Kursverluste. Es kann aber auch zu starken Erholungen kommen, sollte die Krise weniger schlimm verlaufen als erwartet und sich der Ausblick aufhellen.
Wie schwierig das aktive „Traden” rund um geopolitische Ereignisse ist, zeigt die Kursreaktion nach den US-Luftangriffen auf den Iran. Vor dem 22.06. reagierten die Börsen jeweils nervös auf Aussagen aus dem Weissen Haus in Bezug auf einen Luftangriff. Am 23.06. stiegen die Kurse dann aber an, da die Märkte einen Angriff bereits vorher eingepreist hatten.
Samuel Stursberg
Senior Analyst
Ausblick 2025
Der Ausblick für das zweite Halbjahr ist komplex. Die im letzten Abschnitt genannten Themen führen zu einer hohen Unsicherheit, sodass die Firmen eher vorsichtig agieren. Hinzu kommt die für Ende Juni/Anfang Juli eher aussergewöhnliche Dichte politischer Ereignisse, die die Börsen bewegen könnten: Dazu zählen die weitere Entwicklung im Iran nach den US-Luftangriffen und dem Waffenstillstand, Deadlines im Handelskrieg und die Bewilligung des US-Haushaltsbudgets. So überrascht es nicht, dass sich viele Firmen in den letzten Wochen auf verschiedenen Konferenzen mit Investoren und Analysten zurückhaltend äusserten und eher versuchten, die Erwartungen zu dämpfen. Einige publizierten auch Gewinnwarnungen und führten diese auf die Zölle zurück. Gerade die von der Inflation gebeutelten US-Konsumenten halten sich zurück. Auch in China scheint die wirtschaftliche Flaute weiterzugehen. Hoffnung bieten der europäische Bausektor sowie verschiedene Regionen in den Schwellenländern, die von neuen Handelslinien und Produktionsstätten profitieren. Ein oft genanntes Beispiel ist Indien.
In den kommenden Wochen wird die Performance der Aktienmärkte weiterhin von der Entwicklung im Nahen Osten und vom Handelskrieg bestimmt werden. Erst Ende Juli wird die Berichtsaison zum ersten Halbjahr 2025 den Fokus wieder auf die fundamentalen Aussichten der Unternehmen richten, wobei auch diese stark vom Ausgang der jüngsten Krise im Mittleren Osten abhängig sind. Je nach Ölpreis und Inflationsentwicklung kann die Situation ganz verschiedene Ausprägungen annehmen. Solange keine Klarheit herrscht, raten wir von einseitigen Wetten auf aggressiv zyklische Aktien mit vermeintlich hohem Upside ab. Wir bevorzugen defensivere Werte mit stabilen Geschäftsmodellen und guten Bilanzen.