Dr. Bruno Dallo
Vorsitzender der Geschäftsleitung

VON DER HEIRATS- ZUR FAMILIENSTRAFE? EIN BLICK AUF DIE ERBSCHAFTSSTEUER-INITIATIVE

Seit das Bundesgericht im Jahre 1984 entschieden hat, dass Ehepaare bei der Einkommensbesteuerung im Verhältnis zu Konkubinatspaaren nicht stärker belastet werden dürfen, gibt es in der Schweiz den Begriff der „Heiratsstrafe“. Kantone und Bund haben seither Massnahmen zur Milderung einer solchen Benachteiligung getroffen, wobei beim Bund bei einer Grössenordnung von 80‘000 Ehepaaren weiterhin eine Diskriminierung besteht. Eine Eidgenössische Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ ist eingereicht.

Droht nach der Heiratsstrafe in der Schweiz nun die Familienstrafe? Die Rede ist von der Erbschaftssteuerinitiative, über die Volk und Stände am 14. Juni 2015 abstimmen. Blicken wir etwas zurück: In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde die Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen in fast allen Kantonen (Ausnahmen AI, NE und VD) abgeschafft. Ehegatten unterliegen in keinem der Kantone der Erbschaftsbesteuerung. Bei nicht mit dem Erblasser verwandten Dritten fallen dagegen in der Regel sehr hohe Erbschaftssteuern an. In BS liegt der Satz bei 22,5 bis 49,5%, in BL bei 30% und in SO bei 12 bis 30%. Gar keine Erbschaftssteuer erhebt lediglich der Kanton SZ. Fazit: Heute ist das Vererben innerhalb der Kern-Familie in den meisten Fällen ohne Steuerfolgen möglich.

Die Bundeserbschaftssteuerinitiative will dies ändern. Neu wären nicht mehr die Kantone zuständig, sondern der Bund soll eine Erbschaftssteuer von 20% erheben. Diese würde – das ist die wichtigste Änderung – auch für direkte Nachkommen gelten. Ehegatten wären weiterhin befreit und mit Ihnen auch registrierte Partner; dies sind allerdings nicht Konkubinatspaare schlechthin, sondern ausschliesslich gleichgeschlechtliche Paare, die ihre Beziehung amtlich registrieren lassen. Ebenfalls dem Satz von 20% unterliegen Drittpersonen. Diese wären in den meisten Kantonen die Gewinner, während direkte Nachkommen die Verlierer wären. Das Weitervererben innerhalb der KernFamilie würde mit dem Zweck des Umverteilens von Vermögen fiskalisch bestraft. Nach der Heiratsstrafe hätten wir somit die Familienstrafe.

Nun enthält die Initiative zahlreiche Detailregelungen, die diesen Umstand mildern sollen. Die Wichtigste ist der einmalige Freibetrag von CHF 2 Mio., der im Erbfall nicht besteuert würde. Weil damit mutmasslicherweise nur Wenige von der neuen Besteuerung betroffen wären, sollen dadurch die Chancen eines JAs in der Volksabstimmung verbessert werden. Doch aufgepasst, so manch einer könnte noch in den Kreis der Betroffenen fallen. Zum Nachlassvermögen können Beträge dazukommen, die während der beruflichen Tätigkeit nicht dem steuerbaren Vermögen zugehörten. Zum Beispiel würde sich bei einer Kapitalauszahlung aus der Pensionskasse das massgebende Vermögen unter Umständen stark erhöhen. Liegenschaften, gerade solche, die die Eigentümer schon lange halten, würden nicht zum häufig viel tieferen Steuerwert erfasst, sondern zum Verkehrswert. In einer Zeit stetig steigender Liegenschaftspreise kann ein solcher Wert bis zum Eintritt des Nachlasses noch stark anwachsen.

Milderungen gibt es auch für Familien-Aktiengesellschaften. Weil sie in der Initiative sehr schwammig formuliert sind, bestehen seitens der KMU grosse Befürchtungen, dass im Erbfall das Unternehmen wegen der Erbsteuerfolgen in Schwierigkeiten gerät.

Vielfach liest man seitens der Befürworter, eine Erbschaftssteuer sei ein faires Unterfangen: Es treffe ja nur diejenigen, die ein Vermögen ohne eigenes Zutun vererbt erhalten. Das liest sich auf den ersten, flüchtigen Blick vielleicht gut, trägt aber einem spezifischen Umstand keine Rechnung. In der Schweiz wird nämlich auf dem Vermögen auch eine Vermögenssteuer erhoben. Ein Kumul, Erbschaftssteuer plus Vermögenssteuer, der nur in ganz wenigen Ländern anzutreffen ist und der fatale Folgen hat. Dies sehen wir an einem Beispiel: Ein Jungunternehmer arbeitet bei einem Biomed-Start-Up mit und erhält im Alter von 35 Jahren aus dem Verkauf oder Börsengang einen Betrag von CHF 4 Mio. Was passiert in den nächsten 50 Jahren, bis der Nachlass eintritt? Jährlich wird auf diesem Vermögen eine Vermögenssteuer erhoben, die in Basel-Stadt bei 0,8% liegt. In der vereinfachenden Annahme, das Substrat bleibe unverändert (die Erträge gleichen jeweils die Steuern aus), fallen über 50 Jahre gesehen also Vermögenssteuern von 40% an oder anders gesprochen CHF 1,6 Mio. sind wegbesteuert. Beim Nachlass - Annahme die Ehefrau sei vorverstorben und das Erbe gehe an die direkten Nachkommen - fallen nun nochmals 20% auf CHF 2 Mio. (nach Abzug des Freibetrags CHF 2 Mio.) an, also CHF 0,4 Mio. Bereits in einer Generation ist die Hälfte für Steuern verbraucht worden. Ist das fair und gerecht oder eben die Einführung der Familienstrafe? Wir haben es in der Hand, diese Frage nun zu beantworten.