Die Aktienmärkte bewegen sich weiterhin mehrheitlich seitwärts und werden noch immer stark von den Zins- und Inflationsprognosen beeinflusst. Die Hauptfragen lauten noch immer: Schafft die US Notenbank eine sogenannte «sanfte Landung» der US Wirtschaft oder kann die Inflation nicht ohne Rezession und Verschlechterung des Arbeitsmarktes unter Kontrolle gebracht werden? Wie lange wird die konjunkturelle Abkühlung in Europa andauern und wie schwach ist die Konjunktur in China wirklich? Bis diese Fragen beantwortet werden können, wird es noch eine Weile dauern und entsprechend dürften die Aktienmärkte weiterhin zwischen Hoffen und Bangen schwanken. Für Obligationeninvestoren hat sich der Ausblick aufgehellt. Die Zinsen der Anleihen sind deutlich gestiegen und die Chancen auf Zinssenkungen, die die Preise dann positiv beeinflussen, in den nächsten Jahren sind ebenfalls intakt. Die globalen Zinserhöhungen haben eine bremsende Wirkung auf die Realwirtschaft und die Inflation. Ein direkt betroffener Sektor ist die Immobilienbranche. Mit einem Anteil von 1020% am BIP einer Volkswirtschaft hat der Sektor eine zentrale Rolle in der Konjunktur. Die Bremswirkung lässt sich an vielen Stellen beobachten: Die Preise der Immobilien sinken in verschiedenen Regionen und immer mehr Baufirmen klagen über ausbleibende Aufträge. Die Gefahr von Wertberichtigungen bei Immobilien ist vorhanden. Trotzdem gibt es auch in diesem Segment dank dem stabileren Renovationsgeschäft und deutlich tieferen Bewertungen Anlagechancen, die sich auszahlen werden, sobald die Zinsen den Höhepunkt überschritten haben und die Dynamik im Sektor wieder zunimmt.
Jahresperformance per 29.09.2023
Rückblick: Konsolidierungsphase im Sommer
In den letzten Monaten herrschte an den Aktienmärkten eine gelassene Ruhe. Seit Ende Mai lag die Volatilität auf absoluten Tiefstwerten und die westlichen Indices wiesen kaum nennenswerte Schwankungen auf. Die Aktienmärkte spiegeln ein gespanntes Warten der Investoren über die weitere Entwicklung der Zinsstrategien der Notenbanken und der Inflation. Deuteten die Daten
auf ein Ende der restriktiven Zinspolitik hin, stiegen die Kurse eher an, bei restriktiven Aussagen der Notenbanken oder starken US Arbeitsmarktdaten fielen die Kurse wieder. Seit dem 31. Mai resultierten Renditen von rund 3% bis 0% für die meisten breit diversifizierten Aktienindices. Etwas schwächer entwickelten sich die meist konjunktursensitiveren Small und Midcaps (siehe Grafik 1). Prominenteste Ausnahme: Die grossen US Technologietitel profitierten vom Hype um die Künstliche Intelligenz, der die Kurse angeheizt und so auch den Leitindex positiv beeinflusst hat.
Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Anleihen und bei Immobilienanlagen in der Schweiz. Die Zinsen stiegen zwar tendenziell leicht an, aber die höheren Coupons entschädigten für die Kursverluste. Unter dem Strich resultierte auch in dieser Anlagekategorie eine Nullrendite für die Investoren in CHF.
Tobias Brütsch
Leiter Portfolio Management
Der Immobiliensektor im Zentrum des Zinssturms und der Einfluss für die Investitionsstrategie
In den vergangenen Quartalen sahen sich die globalen Notenbanken aufgrund der stark gestiegenen Inflation dazu gezwungen, die Zinsen starkanzuheben. Eine starke und rasche Straffung der Geldpolitik hat nach einer gewissen Zeit aber einen bremsenden Effekt auf die Konjunktur. Zum Beispiel: Für Unternehmen wird sowohl das Eigen als auch das Fremdkapital teurer und damit sinkt der Anreiz für Investitionen in Zukunftsprojekte und Wachstum. Für Privatpersonen werden Kredite (Hypotheken, Leasing, Kleinkredite) und die Ausgaben für den täglichen Konsum teurer, was in der Regel dazu führt, dass die Gürtel enger geschnallt werden. Zudem steigt der Anreiz zum Sparen durch die höheren Zinsen auf den Banken. Diese sinkende Nachfrage nach Investitionen durch Firmen und im privaten Konsum dämpft schlussendlich die Inflation, was das Ziel der Notenbanken ist. Unter Zinserhöhungen leiden fast alle Sektoren in einer Volkswirtschaft. Einzig der Finanzsektor (Banken und Versicherungen) profitiert zunächst von steigenden Zinsen, bevor die Wachstumsverlangsamung auch bei diesen Firmen Spuren hinterlässt. Ein Segment, dass besonders betroffen ist, ist der Immobiliensektor und damit auch die Bauwirtschaft. Das ist von grosser Relevanz für die Konjunktur und die Finanzmärkte. In China hängt rund 30% des BIP’s am Immobiliensektor. In den USA sind es etwa 17% und in der Schweiz immerhin noch 11%. Obwohl höhere Zinsen und eine hohe Inflation zu einer Steigerung der Nominalmieten führen, ist ein starker Zinsanstieg für die Immobilienbranche keine gute Nachricht. Höhere Hypothekenzinsen dämpfen die Kaufbereitschaft für Wohneigentum und die Geschäftsliegenschaften werden durch die sinkende Investitionsbereitschaft der Unternehmen belastet. Dazu sinkt der Barwert der zukünftigen Einnahmen durch den
höheren Diskontierungsfaktor. Es resultiert ein negativer Preiseffekt der Immobilienpreise nach einem Zinserhöhungszyklus, der in der Regel einige Jahre braucht, bis er komplett in den Marktpreisen reflektiert ist. Entsprechend ist es wenig überraschend, dass die Immobilienmärkte aktuell weltweit unter Druck stehen, auch wenn sich die Situation von Region zu Region unterscheidet. Beispiele:
■ Schweiz: Die Preise für Renditeliegenschaften sind tendenziell etwas gesunken, aber grossflächige, starke Preiskorrekturen sind bisher noch ausgeblieben. Hauptgrund dürfte die Wohnungsknappheit sein, die aufgrund der Zuwanderung weiterhin für eine stabile Nachfrage sorgt. Dazu ist das Zinsniveau in der Schweiz, verglichen mit anderen Regionen noch immer vergleichsweise tief.
■ USA: Die Investitionen in Immobilien (z.B. Büros und Wohnbauten) sind deutlich gesunken. Geschäftsimmobilien sind mit sinkenden Preisen konfrontiert und die stark gestiegenen Hypothekarzinsen bremsen auch den Wohnimmobilienmarkt.
■ Europa: In Schweden sind die Immobilienpreise eingebrochen. Der schwedische Markt ist geprägt von langfristigen Finanzierungen mit flexiblen Zinsen. Entsprechend hat sich der Zinsanstieg sofort negativ auf den Markt ausgewirkt. In Deutschland sinken die Preise und die Bauwirtschaft klagt über Stornierungen von Aufträgen. Auch in Grossbritannien, einer Region mit hoher Hausbesitzerquote, kühlt sich der Markt klar ab.
■ China: Der Immobilienmarkt in China ist aktuell besonders im Fokus der internationalen Investoren. Die Situation ist aber eine andere als in der westlichen Welt. Die chinesische Notenbank hat die Zinsen nicht erhöht. Grundlage der chinesischen Immobilienkrise ist ein über 20jähriger Boom des «Betongoldes» mit viel zu vielen Bauprojekten und extrem stark gestiegenen Preisen. Die Korrektur wurde nun von staatlichen Massnahmen zur Dämpfung der Spekulationsblase ausgelöst und grosse Immobilienfirmen kämpfen mit Überschuldungs- und Liquiditätsproblemen.
Die negativen Meldungen aus den Immobilienmärkten, insbesondere China und in den USA, lassen Gedanken an die Finanzkrise 2007-2009 aufkommen. Die Situation scheint aber nicht vergleichbar. Die grösste Spekulationsblase platzt aktuell in China. Im Unterschied zur US Immobilienkrise vor 15 Jahren gibt es aber keine stark verschachtelten Finanzprodukte in Multimilliardenhöhe, die bei Banken weltweit zu Verlusten führen können. Die chinesischen Immobilienverluste dürften hauptsächlich vom chinesischen Sparer getragen werden müssen und damit den Konsum und die chinesische Wirtschaft belasten. Und auch in den USA unterscheidet sich die Situation zur Finanzkrise. Der Anteil Subprime Kredite ist minimal und im Unterschied zu 2008 sind die Laufzeiten nun viel kürzer und die Verschuldungsquoten tiefer, was die Gefahr von gewaltigen Zahlungsausfällen wie 2008/2009 reduziert. Die Scobag bleibt im aktuellen Umfeld weiterhin vorsichtig mit direkten Investitionen in den Immobiliensektor, da wir die Gefahr von Wertkorrekturen weiterhin als gegeben beurteilen und es mehrere Jahre gehen kann, bis der Einfluss der Zinsen auf die Preise voll reflektiert ist. Zudem weisen bereits viele Privatpersonen in der Schweiz ein signifikantes Exposure zu direkten Immobilien auf (via Wohneigentum oder Investitionen der Pensionskasse, die im Durchschnitt etwa 20% der Anlagevermögen in Immobilien investieren). Es gibt aber durchaus mögliche Investitionschancen in Zusammenhang mit den Immobilien. Staatliche Konjunkturprogramme wie der IRA in den USA oder der Green Deal in Europa stützen das Geschäft mit Renovationen und Infrastrukturbauten. Firmen mit einem entsprechend hohen Anteil im Mix profitieren davon, beispielsweise Hersteller von Isolationen, Beton, Wärmepumpen etc. Zudem herrscht nicht nur in der Schweiz eine Knappheit an Wohneinheiten, was langfristig wieder zu einer Belebung der Neubauwirtschaft führen wird, sondern auch in Europa und den USA. Davon werden viele Baufirmen mittelfristig wieder profitieren können. Die Aussichten bleiben entsprechend kurzfristig zwar noch schwierig und weitere Bewertungskorrekturen sind nicht auszuschliessen, mittelfristig bieten sicher aber interessante Einstiegsgelegenheiten in fundamental gut aufgestellte Firmen. Sollte sich die Zinswende definitiv abzeichnen und die Konjunkturschwäche sich stabilisieren, dürften die Aktien dieser Unternehmen schnell positiv reagieren.
Lars Loleit
Vizedirektor
Ausblick: Anleihen werden attraktiver, Aktien brauchen Geduld
Es wird immer deutlicher: die globale Konjunktur leidet unter der Zinspolitik. Die Zinserhöhungen der letzten Monate wirken sich nun immer stärker aus. Die höheren Refinanzierungs- und Kapitalkosten belasten Unternehmen und Konsumenten je länger je mehr, was die Investitionstätigkeit und die Konsumfreude dämpft. Verschiedene Unternehmen bestätigen denn auch, dass sich die Dynamik verschlechtert. Einzig die US Wirtschaft hält sich, gemessen an den jüngsten Daten, noch vergleichsweise gut. In Europa deuten die gängigen Wirtschaftsindikatoren klar auf ein rezessives Umfeld hin und in China ist die Situation undurchsichtig und die Dynamik schwach. Eine Rezession wirkt inflationsdämpfend. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die Zinsen in Europa kaum mehr stark steigen werden. Die Nominalzinsen liegen auf einem Niveau, das zuletzt vor über 10 Jahren erreicht worden ist und die Wahrscheinlichkeit von Zinssenkungen im 2024 oder 2025 steigt. Es resultiert eine steigende Attraktivität von Investitionen in Anleihen. Für Aktienanlagen bleibt die Situation im relativen Vergleich aktuell noch schwieriger. Die aktuelle Wirtschaftslage spricht für eine Verschlechterung der Gewinnsituation, was insbesondere auf den Kursen konjunktursensitiver Aktien lasten wird. Aber: die Aussicht auf weniger restriktive Notenbanken wirkt positiv auf die Bewertungen. Die Konjunkturschwäche wird von den Investoren schon lange antizipiert und dürfte daher bereits und in den aktuellen Erwartungen reflektiert sein. Verschlechtert sich die Konjunktur nicht so stark wie befürchtet, könnten sich die Aktienmärkte rasch erholen, so wie das auch im Schlussquartal 2022 und Januar 2023 geschehen ist. Solange diese Kräfte noch gegenläufig wirken, dürften die Aktienmärkte aber weiterhin zwischen Hoffen und Bangen schwanken.