toren. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen der anfänglichen Euphorie die Desillusionierung folgte. Investoren, die in die Euphorie hinein gekauft haben, blieb dann nur der Frust, selbst wenn sich die Technologie am Ende durchsetzen sollte.
Zum Beispiel:
■ Der 3D Druck ist in vielen Industrieanwendungen angekommen, aber eine Outperformance von spezifischen 3D Druck Aktien ist nicht erzielt worden.
■ Beyond Meat löste grosse Begeisterung für alternative Proteine und künstliches Fleisch aus. Mittlerweile gibt es viele Produkte auf dem Markt, auch von arrivierten Herstellern wie Nestlé. Die Aktie des einstigen Überfliegers Beyond Meat hat seit dem Höchststand 2019 95% an Wert verloren.
Warum ist das so? Ob eine neue Technologie auch für die entsprechenden Firmen zum Erfolg wird (und somit für die Investoren), hängt von vielen Faktoren ab. Es braucht Anwendungsvorteile, für die die Kunden bereit sind, Geld auszugeben. Es braucht einen guten Marktzugang und die Technologie sollte möglichst einen disruptiven Charakter haben, d.h. eine ältere Technologie ablösen. Paradebeispiel ist das Iphone, welches die traditionellen Hersteller von Mobiltelefonen innert kürzester Zeit aus dem Markt gedrängt hatte. Die Innovation sollte zudem von hohen Eintrittshürden geschützt sein, um nicht einfach kopiert werden zu können (wie im Beispiel von alternativen Proteinen, die für grosse Nahrungsmittelhersteller keine grosse Herausforderung waren und daher rasch Konkurrenzprodukte lanciert wurden). Schlussendlich entscheidend ist: Wer kann die neue Technologie erfolgreich anwenden und neue Erträge generieren? Wer kann Kosten sparen? Wie verändert sich die Wettbewerbssituation? Künstliche Intelligenz ist eigentlich kein neues Thema. Die Einführung von ChatGPT und die positive Gewinnwarnung von Nvidia haben die Thematik nur mit Wucht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Investoren gerückt.
KI-Technologien werden schon seit längerem verwendet, zum Beispiel im Bereich Suchmaschinen oder bei gezielten Werbekampagnen. Die «generative künstliche Intelligenz» ist der neueste Durchbruch. Sie ist in der Lage, aus bestehenden Daten Muster zu erkennen und neue Inhalte zu erstellen. Die Technologie zieht aktuell viel Kapital an und weitere Innovationen sind zu erwarten. Dass sich viele Firmen damit beschäftigen, bestätigt auch eine Umfrage der NZZ (NZZ KMU Barometer 2023). 60% der befragten Firmen aus ganz verschiedenen Branchen gehen davon aus, dass sich ihr Geschäftsmodell in den nächsten Jahren durch die KI verändern wird.
Zu den offensichtlichen Unternehmen, die von der KI profitieren, gehören die sogenannten «Core Enablers» wie Nvidia oder Microsoft, die die Technologie bereitstellen. Es gibt aber auch Firmen ausserhalb der Technologiebranche, die durch die KI Umsätze steigern oder Kosten senken können. Beispielsweise setzt Nestlé auf solche Technologien, um die Produktion effizienter zu machen. Oder die Pharmaindustrie, um die Diagnostik zu verbessern. Oder in der Landwirtschaft nutzt beispielsweise John Deere die KI um den Ertrag der Bauern zu steigern. Eine neue Technologie oder ein neues Produkt sorgt auch immer für Verlierer. Firmen, die ihre Geschäftsmodelle ganz verlieren oder die Erträge mit neuen Konkurrenten teilen müssen. Ein Beispiel ist Chegg, ein Bildungsdienstleister in den
USA, dessen Aktien schlagartig fast 50% verloren haben, nachdem der CEO die KI-Technologie als neue Konkurrenz bezeichnet hatte. KI wird auch gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringen. Die Systeme lernen aufgrund der verfügbaren Informationen im Internet und sind daher anfällig für fehlerhafte Informationen und könnten diese rasch weiter verbreiten. Bewusste Manipulation der öffentlichen Meinung könnte dadurch einfacher werden und z.B. Wahlen beeinflussen oder Aktienkurse bewegen. Da KI viele Inputs übernimmt, stellen sich auch die Frage nach Patentrechten und dem Copyright. Es ist davon auszugehen, dass die Politik auf solche Fragen reagieren muss, um der Branche sinnvolle Grenzen zu setzen. Die Behörden sind weltweit gefordert
und viele warnende Stimmen wurden in den letzten Wochen laut.
Fazit: Die KI-Technologie wird, wie viele andere technologische Errungenschaften, in vielen Branchen die Geschäftsmodelle herausfordern. Neue Umsatzquellen entstehen, arrivierte Firmen werden von neuen Konkurrenten herausgefordert und Kosten reduziert. Wer am Ende alles zu den grossen Gewinnern gehört, ist offen und schwer abzuschätzen. Kurzfristig dürften die Aktien von einigen offensichtlichen KI-Gewinnern wie Nvidia profitieren, es besteht aber immer die Möglichkeit von einer rascheren Abkühlung der Euphorie als gedacht, die zu Rückschlägen bei den Aktienkursen führen könnten. Es ist also ratsam, eine diversifizierte Investmentstrategie mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen zu wählen, die profitieren könnten. Und: Aktien von Firmen, deren Geschäftsmodelle vor starken Umbrüchen stehen, sollten vermieden werden.
Ausblick:
Die nächsten Wochen werden entscheidenden Einfluss darüber haben, ob der Optimismus, der aktuell die Börsenkurse immer noch stützt, Bestand haben wird und der aktuelle Konsolidierungsmodus in weitere Kursgewinne übergehen kann. Denn aktuell besteht ein deutlicher Gap zwischen den Aktienkursen und den fundamentalen Wirtschaftsdaten. Während viele Aktien von zyklischen Firmen schöne Renditen seit Jahresbeginn verbuchen können, verschlechtern sich die
Daten aus der Makroökonomie laufend. In den letzten Wochen mehrten sich die Warnsignale, wie schlechte PMI-Indikatoren, eine stark inverse Zinskurve sowie eine gehäufte Anzahl von Gewinnwarnungen verschiedener Firmen, insbesondere aus dem Industriebereich. Die Börsen sind aber aktuell noch bereit, durch eine kurzfristige Konjunkturschwäche hindurch zu sehen und setzen mittelfristig auf wieder sinkende Zinsen und Konjunkturprogramme, beispielsweise in China.
Solange die Unsicherheit darüber anhält, ob der Konjunkturzyklus rasch besser wird oder nicht, dürften die volatilen Seitwärtsbewegungen der Börse anhalten und Qualitätsaktien mit intakten Wachstumsaussichten bei temporären Rückschlägen Kaufgelegenheiten für langfristig orientierte Investoren bieten.