Das Jahr 2023 startete mit starken Aktienmärkten. Getrieben von der Hoffnung auf sinkende Inflation und dank einem besseren Konjunkturausblick konnten insbesondere zyklische Marktsegmente und Finanzaktien (Banken) bis Mitte März deutliche Kursgewinne verbuchen. Der Kollaps der Silicon Valley Bank und die Rettung der Credit Suisse durch die UBS hat entsprechend viele Investoren auf dem falschen Fuss erwischt und schlagartig eine hohe Unsicherheit in das Marktumfeld gebracht. Steht die Welt vor einer neuen Bankenkrise, verursacht durch die starken Zinserhöhungen der Notenbanken? Was heisst das für die verschiedenen Anlageklassen und was kann vom 2023 jetzt noch erwartet werden? Die Scobag erwartet keine Finanzkrise wie 2008/2009, sieht sich aber in der Einschätzung bestätigt, dass Investitionen in den Bankensektor mit hohen Risiken behaftet sind. Der Sektor wird auch in Zukunft keine entscheidende Rolle in unserer Investitionsstrategie spielen.
Trotz der aktuellen Unsicherheit gehen wir davon aus, dass 2023 ein besseres Aktienjahr werden kann als 2022, auch wenn in den nächsten Monaten weiterhin mit hohen Schwankungen zu rechnen ist. Die aktuell sinkende Inflationstendenz und die Krise im Bankensektor dürften bei den Notenbanken zu einer vorsichtigeren Politik führen, was für die Aktienmärkte als positiver Impuls wirken sollte. Dabei dürften die Qualitätsaktien mit gutem Wachstum langfristige Chancen für attraktive Anlagerenditen bieten.
Jahresperformance per 31.03.2023
Alessandro Miano
Vizedirektor
Rückblick: 2023 überrascht mehrfach
Nicht nur die absolute Kursentwicklung in den ersten Wochen war bemerkenswert, sondern auch die Tatsache, dass die Aktien primär in der Eurozone stiegen. Der Januar 2023 ging für diese Region sogar als einer der besten Börsenmonate der letzten 30 Jahre in die Geschichte ein.
Auslöser der guten Performance war das an den Aktienmärkten altbekannte «Spiel» der tatsächlichen Entwicklung verglichen mit der ursprünglichen Erwartung der Investoren. Im Herbst galt es als ausgemacht, dass die Eurozone in eine starke Rezession, ausgelöst durch eine Energiekrise, rutschen wird. Der milde Winter und deutlich höhere Gaslieferungen als erwartet, haben die Situation entspannt und es wurde klar, dass die Energiekrise ausbleibt. Zudem hat China überraschend seine Covid Strategie angepasst, was bei vielen europäischen Firmen die Hoffnung auf
eine Verbesserung in einem wichtigen Endmarkt weckte. Neben den Aktien von Industriefirmen stach wochenlang ein weiterer Sektor mit einer sehr starken Kursentwicklung ins Auge: Die Banken. Weiter steigende Zinsen und damit höhere Zinserträge liessen den in den letzten 10 Jahren von den Investoren verschmähten Sektor überdurchschnittlich gut abschneiden, bis am 8. März die Silicon Valley Bank in den USA eine überraschende Kapitalerhöhung ankündete. Innerhalb von 48 Stunden kollabierte die US-Bank und musste am 10. März von der FDIC übernommen werden. Es war der Start in eine turbulente Börsenphase, die bei vielen Investoren Angst vor einer neuen Bankenkrise wie 2008 /2009 aufkommen liess. Der traurige (bisherige?) Höhepunkt folgte am 19. März mit der Zwangsübernahme der Credit Suisse, die aber dank der Hilfe vom Bund und der Schweizerischen Nationalbank für eine Beruhigung an den Finanzmärkten sorgte.
Die Notenbanken liessen sich von den Verwerfungen im Bankensektor nicht von ihrer Strategie abbringen und erhöhten die Zinsen weiter. Die SNB-Leitzinsen stiegen Ende März auf 1.5%, das FED erhöhte auf 5%. Die Inflation bleibt die Sorge Nr. 1 der Währungshüter. In diesem Zusammenhang auffallend ist die Entwicklung der Rohstoffpreise. Neben dem Ölpreis hat sich auch der Gaspreis in Europa deutlich reduziert. Auch die Preise anderer Rohstoffe sind gefallen. Damit ist die Basis für eine Entspannung der Inflationsproblematik gegeben und in Kombination mit der Bankenkrise steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinserhöhungsphase bald zum Ende kommen wird (mehr dazu im Ausblick). Unter dem Strich resultiert ein positives Börsenquartal für die europäischen Aktienmärkte. Die unterdurchschnittliche Performance des SMI Index ist auf den Kollaps der CS und die relativ schwache Entwicklung der Schwergewichte zurück zu führen, während andere Aktien, z.B. aus dem Luxus oder Industriebereich Kursgewinne verbuchen konnten (vgl. Grafik 1). Die Performance von Obligationen stabilisierte sich trotz Zinserhöhungen, nachdem das Segment im letzten Jahr noch grosse Verluste erlitt.
Tobias Brütsch
Leiter Portfolio Management
Welche Folgen hat die jüngste Bankenkrise?
Mit der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse mussten im März zwei grosse Banken gerettet werden. In den USA sind weitere Bankinstitute angeschlagen und das FED und die Finanzbehörden haben vorsorglich Rettungsprogramme in Aussicht gestellt. In Europa nehmen die Sorgen über die Bankenstabilität zu. Steht die Welt wieder vor einer Finanzkrise wie 2008/2009? Tatsächlich gibt es Parallelen, die solche Vergleiche zulassen. Wie 2008 befindet sich die US-Notenbank auch heute wieder in einem fortgeschrittenen Zinserhöhungszyklus. Es überrascht nicht, dass die rasche Veränderung des geldpolitischen Umfelds der letzten 12 Monate zu Verwerfungen an den Finanzmärkten führt. Das war auch bei früheren Zinszyklen beobachtbar. 2008 lösten die Zinserhöhungen die US-Hypothekenkrise aus. 2000/2001 platzte die Dotcom-Blase und anfangs der 90er Jahre litten viele Länder unter den negativen Folgen einer Immobilienkrise (z.B. die Schweiz). Folgt nun eine Regionalbankenkrise in den USA? Gut möglich, dass nach der SVB und der First Republic Bank weitere Opfer folgen. Es gibt aber auch wichtige Unterschiede zur Finanzkrise. Während vor 15 Jahren hunderte Milliarden von Assets faul und wertlos wurden, haben die aktuellen Zinserhöhungen zwar zu hohen Buchverlusten auf Staats und anderen Anleihen in vielen Bankbilanzen geführt. Diese werden aber nur dann zu realisierten Verlusten, wenn wie im Falle der SVB ein Bankrun einsetzt, und die Assets verkauft werden müssen. Sie werden nicht einfach abgeschrieben, wie damals die Subprime Assets. Zudem sind die Banken heute deutlich besser kapitalisiert. Sollten die Behörden mit den entschlossenen Gegenmassnahmen die Kunden beruhigen und so zerstörerische Bankruns abwenden, dürfte eine breite Bankenkrise verhindert werden. Auch der Fall der Credit Suisse lässt sich kaum mit dem Kollaps von Lehmann Brothers vergleichen. Die Credit Suisse wurde das Opfer von jahrelangen strategischen Fehlern, die einen schleichenden Vertrauensverlust der Kunden ausgelöst haben. Die aktuellen Marktverwerfungen dürften den Niedergang nur noch beschleunigt haben. Die Zinserhöhungen und die Geschehnisse der letzten Wochen dürften aber Folgen für die Finanzmärkte haben:
■ Für viele Firmen verteuert sich das Fremdkapital. Das bedeutet steigende Kapitalkosten und Druck auf den Gewinn, was in der Regel zu tieferen Bewertungen der Aktien führt.
■ Höhere Kapitalkosten belasten die Investitionstätigkeit, da Projekte mit tieferen Renditechancen nicht mehr umgesetzt werden. Dies dürfte die Konjunkturdynamik abschwächen, was wiederum die Inflation dämpfen und schlussendlich zu einer Anpassung der Geldpolitik führen wird. Die Investorenerwartungen haben sich auch bereits an einen neuen Ausblick (bald wieder Zinssenkungen) angepasst, auch wenn die Notenbanken noch an der Zinsschraube nach oben drehen.
■ Speziell für Bankaktien wird der Markt höhere Risikoprämien fordern, da die Pleiten der CS und der SVB wieder einmal die hohen Risiken des Sektors sichtbar gemacht haben. Durch die Digitalisierung scheint ein spezifisches Risiko des Bankensektors, die Bankruns, noch gestiegen zu sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regulierungsbehörden neue Massnahmen ergreifen werden und dass die Politik vor allem in der Schweiz aktiv werden wird. Der Sektor wird daher kaum ein signifikantes Re-Rating-Potential haben und wie in den vergangenen Jahren ein eher ungünstiges Chancen-Risiko-Profil bieten (vgl. Grafik 2).
Die Scobag sieht sich durch die jüngsten Turbulenzen in ihrem Anlageansatz bestätigt. Die Anlagestrategie eines privaten Investors wird primär durch die Allokation in verschiedene Anlageklassen (z.B. Aktien und Anleihen) bestimmt. Entscheidend ist die persönliche Situation, die die Risikofähigkeit, den Anlagehorizont und die Risikofreudigkeit berücksichtigt. Bei der Auswahl der Anlagen bleiben wir bei unseren alten Grundsätzen.
■ Eine gute Diversifikation des Aktiendepots beinhaltet eine Streuung der Anlagen auf mindestens 20 verschiedene Aktien aus verschiedenen Branchen und Regionen. Nur dank dieser Diversifikation können individuelle Risiken von einzelnen Aktien reduziert werden. Die Gewichtung in einer einzelnen Firma innerhalb der Anlagen wird tief gehalten, um Klumpenrisiken zu vermeiden. Je zyklischer die Firma oder je riskanter die Investitionsstory, desto kleiner ist die Position.
■ Die Aktien auf der Aktienliste sollten über eine hohe Qualität verfügen. Dies beinhaltet starke Marktpositionen, gute Wachstumsaussichten und solide Bilanzen. Auch die Qualität des Managements ist wichtig. Hohe Investitionsanteile der Depots in riskante Firmen, die zwar in kurzer Zeit grosse Profite versprechen, aber entsprechend auch hohe Risiken bergen, werden weiterhin vermieden. Dies beinhaltet auch Investitionen in Bankaktien. Der Bankensektor ist ein Sektor, in welchem auch vermeintlich gute Firmen in kürzester Zeit grosse Probleme bekommen können. Entsprechend vorsichtig sollten Investitionen in diesem Bereich ausfallen.
■ Ob eine Firma in einem Index eine wichtige Position einnimmt, ist für den Investitionsentscheid kein entscheidendes Kriterium. Wird die Firma als unattraktiv oder zu riskant beurteilt, verzichtet die Scobag auf Investitionen.
■ Auch bei den Anleihen geht die Scobag weiterhin keine unnötigen Risiken ein. Die Schuldnerqualität bleibt das Schlüsselkriterium für einen Anlageentscheid.
Ausblick:
Die Energiekrise in Europa ist nicht eskaliert und die Konjunkturprognosen wurden leicht erhöht, was die Aktienmärkte in den letzten Wochen in Europa mit Kursgewinnen belohnt haben. Die Situation bleibt aber angespannt. Die Auswirkungen der jüngsten Bankenkrisen in Europa und in den USA sind noch völlig unklar und auch die Bremseffekte der restriktiveren Zinspolitik werden in der Regel erst 612 Monate verzögert sichtbar. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich der wirtschaftliche Ausblick erneut eintrübt. Auch wenn dies aktuell von vielen Ökonomen nicht erwartet wird, ist der Anleihenmarkt klar der Meinung, dass eine Rezession bevorsteht. Die Zinskurven sind weiterhin invers und die zuletzt stark gefallenen US-Bondrenditen widerspiegeln die Markterwartung, dass die US-Notenbank bereits in den nächsten 36 Monaten an Zinssenkungen denken wird. Für die Aktienmärkte bedeutet dies, dass das Wechselbad der Gefühle kurzfristig weitergehen wird. Hoffnung und Angst werden sich auch in den nächsten Wochen abwechseln und temporäre Korrekturen werden Einstiegschancen bieten. Denn mittelfristig, sobald die Inflation unter Kontrolle gebracht wurde, zeichnet sich eine Anpassung der Zinspolitik zur Konjunkturbelebung ab, die sich in der Regel positiv auf die Aktienkurse auswirkt. Dabei dürften insbesondere die Qualitätsaktien mit intakten Wachstumsaussichten wieder in den Fokus der Investoren kommen und langfristige Chancen für attraktive Anlagerenditen bieten.