Mit dem Impfstart dürfte das Ende der Corona-Pandemie eingeläutet worden sein. Auch wenn die Impfkampagne Zeit brauchen wird, so ist eine Verbesserung der Situation in ein paar Monaten doch immer wahrscheinlicher. Damit rücken für die Finanzmärkte die längerfristigen Folgen der Pandemie in den Fokus. Während viele globale Megatrends unverändert weitergehen dürften (z.B. die Urbanisierung, Alterung der Gesellschaft) gibt es auch Themenbereiche, die durch die Pandemie signifikant verändert wurden oder Trends, die sich stark beschleunigt haben und das Investitionsumfeld noch länger beeinflussen werden.
Geld- und Fiskalpolitik
Im Fokus stehen hier die Interventionen der Notenbanken und die staatlichen Konjunkturprogramme. Die Pandemie führte zu (geld-)politischen Eingriffen in nie gesehenem Ausmass. Ein Ausstieg aus den vielen Hilfspaketen dürfte schwierig werden. De facto nähert sich die Geldpolitik in Europa und in den USA damit den Prinzipien der «Modern Monetary Theory (MMT)» an. Die Einnahmenseite (Steuern) spielt in der aktuellen Situation keine Rolle und die Staaten blähen ihre Haushalte auf, um die Wirtschaft zu retten. Dies mag in der Krise sinnvoll und nötig sein, wirft aber längerfristige Fragen auf. Prominente Kritiker der MMT erwarten durch das starke Gelddrucken einen heftigen Anstieg der Inflation. Zwar könnten bei steigender Inflation die Steuern erhöht werden, um so Schulden zu reduzieren und die Hilfsprogramme (und damit die Ausgaben) zu kürzen. Bei solchen Massnahmen droht jedoch eine erneute Rezession, was von der Bevölkerung kaum goutiert werden würde. Ein frühzeitiger politischer Kurswechsel ist daher unwahrscheinlich und kann der Nährboden für ein Überschiessen der Inflation sein. Diese Befürchtungen basieren auf den Theorien des Ökonomen Friedman, nach der sich die Veränderung der Geldmenge langfristig auf die Inflationsraten auswirken muss. Betrachtet man die aktuell geradezu explodierenden Geldmengen, so liegt die Schlussfolgerung steigender Inflation in den nächsten Jahren auf der Hand. Die Konsequenzen wären wohl steigende Zinsen, ächzende Kreditmärkte und eine massive Rezession mit sinkenden Aktienkursen.
Noch sind die Inflationsdaten aber nicht beunruhigend. Im Gegenteil: Die Notenbanken scheitern seit Jahren daran, die Zielraten von rund +2% pro Jahr überhaupt zu erreichen und sie kämpfen gegen verschiedene deflationäre Tendenzen an. Die strukturelle Inflationsschwäche liegt an übergeordneten Trends, die einen Inflationsschock dämpfen könnten:
Technologischer Fortschritt: Immer bessere Produktionsprozesse wie Roboter, künstliche Intelligenz oder der 3D-Druck ermöglichen effizientere Herstellungsprozesse und begünstigen damit den internationalen Preiskampf.
Demographie: Die Bevölkerungspyramide der westlichen Welt wirkt grundsätzlich disinflationär, da durch die Alterung der Bevölkerung die Nachfrage geschwächt und das achstum gedrückt wird. In Japan ist dieser Effekt seit Jahren gut zu beobachten.
Fremdkapital: Die breite Verfügbarkeit von Fremdkapital zu tiefen Zinsen hält viele Unternehmen am Leben und trägt damit zu sehr hohen Produktionskapazitäten und entsprechendem Preiskampf bei.
Globalisierung: Trotz dem Streit zwischen den USA und China setzt sich der Globalisierungstrend der Wirtschaft fort und es werden stets neue Handelsverträge abgeschlossen. So wurde im 2020 ein grosses Freihandelsabkommen in Asien unterzeichnet und auch die EU und China verhandeln über ein solches. Das Resultat ist eine
stärkere internationale Konkurrenz und damit erneut Preisdruck. Ein weiterer Effekt der aktuellen Fiskalpolitik ist die Weiterentwicklung der EU zu einer Transfer- und Schuldenunion. Der neue EU-Aufbauplan wird durch EU-Anleihen mitfinanziert, obwohl die EU-Verträge es eigentlich verbieten, dass sich die EU verschuldet. Ohne Pandemie wäre diese Entwicklung vor 12 Monaten noch undenkbar gewesen.
Politische Einflussnahme auf die Wirtschaft
Solange das Finanzsystem positiv auf die staatlichen Interventionen reagiert, ist der Anreiz für die Politik gross, weiterhin mit Stimuli-Massnahmen Einfluss zu nehmen. Speziell in Europa nutzt die Politik die Programme vermehrt zur Lenkung der Wirtschaft. Der EU-Aufbauplan gibt klare politische Ziele vor: Europa soll grüner, digitaler und krisenfester werden. 30% der Mittel sollen für den Klimaschutz verwendet werden. Auch Gleichstellung der Geschlechter, Artenschutz und «faire» Klimawende gehören zu den Vorgaben. Der Trend «ESG» der Finanzindustrie wird durch diese Vorgaben definitiv zum Wirtschaftsthema. Die Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsstan-
dards verbessern, um nicht vom Kapitalmarkt abgeschnitten zu werden. Die Pandemie und der Aufbaufonds wirken beschleunigend und könn-
ten in ein paar Jahren rückwirkend als Schlüsselmoment für eine nachhaltige Wirtschaft und Finanzindustrie betrachtet werden.
Digitalisierung
Durch die Pandemie wurde die Digitalisierung klar beschleunigt. Der Trend zu Home-Office und die damit verbundenen Investitionen in Hard- und Software werden die Wirtschaft noch einige Zeit beschäftigen. Softwarefirmen dürften steigende Nachfrage nach Cloudlösungen sehen. Stabile und sichere Internetverbindungen in allen Regionen werden wichtiger und auch der Immobilienmarkt könnte sich anpassen. Rückläufige Nachfrage nach Büroimmobilien, dafür steigendes Interesse für grössere Wohnungen und Häuser, da die Arbeitnehmer vermehrt Büros zuhause einrichten.
Diese Beispiele sind nur ein paar Effekte, welche die Wirtschaftswelt noch lange prägen könnten. Eine langfristig ausgerichtete Investitionsstrategie basiert auch auf der Analyse solcher strukturellen Trends. Nur agile Unternehmen, die die strategische und finanzielle Flexibilität aufweisen, um auf Veränderungen zu reagieren, bieten
langfristig die Chance für eine positive Entwicklung und damit eine realistische Chance für ein positives Investitionsresultat.